Stilrichtungen der Makonde-Schnitzerei

 

Die weltweit bekanntesten Kunstgegenstände der Makonde sind wohl ihre christlichen Motive, die sie seit der Missionierung in Ostafrika zu schnitzen begannen. Besonders zur Weihnachtszeit werden diese, meist kleineren, Figuren angeboten. Die Abtei Münster Schwarzach war (ist?) beim Import dieser Kunst recht aktiv. Madonnen, Kruzifixe, Krippenfiguren aber auch Schachfiguren und geschnitzte Portraits findet man heute in Europa recht häufig und kann sogar im Internet das eine oder andere schön gearbeitete Stück günstig erwerben.

Aus meiner Sicht weitaus interessanter sind allerdings, neben ihren Zeremonialmasken, diese drei Stilrichtungen der Makonde:

Shetani (Dämon, Geist, Teufel)
Mawingu (Wolke)
Ujamaa (Dorfgemeinschaft, Familie)
 

 

Mit Werken dieser 3 Stile beschäftigen sich meine Webseiten. Diese Kunstformen haben sich erst ab Mitte des 20. Jahrhundert entwickelt und wurden unter anderem durch den Einfluss der, meist europäischen, Käufer geprägt. Auch der lokale Händler und spätere Partner deutscher Importeure, Mohammed Peera, hatte sicherlich nachhaltigen Einfluss auf die Makondekunst wie wir sie heute kennen und schätzen.  

Meines Erachtens kann daher nicht von einer traditionellen afrikanischen Kunstform, sondern eher von moderner Kunst die Rede sein. Fast alle Makonde-Schnitzereien haben allerdings eines gemeinsam – sie sind aus „Ebenholz“ und nahezu immer in perfekter Art und Weise aus dem harten Holz gearbeitet.  

 


 

Für mich sind die Shetani die faszinierendsten Skulpturen der Makonde. Jeder für sich absolut einzigartig, stellen sie fast immer bekannte Fabelwesen aus ihrer Mythologie dar. Wie bei afrikanischen Völkern weit verbreitet, fühlt sich auch der Makondeschnitzer ständig von diesen Wesen umgeben und beobachtet.
Er schnitzt also seine Phantasien und Träume und lässt sich dabei stark von der oft bizarren Wuchsform des Ebenholzstammes oder dessen Wurzeln leiten. Die geschnitzten Szenen wirken sehr dynamisch und kraftvoll und zeigen häufig mehrere ineinander verschlungene Körper. Dabei sind an Shetani-Skulpturen relativ häufig Reptilien (Chamäleon und Schlange), Amphibien, Fische und Vögel beteiligt, die einander beißen, verschlingen oder der zentralen Figur aus dem Leib kriechen. Manchmal sind die Füße einer oder mehrere Figuren dem Huf einer Ziege nachempfunden.
Die überaus wichtige Bedeutung der Sinne wird beim Shetani durch Abstraktion von Augen, Gebiss und Ohren verdeutlicht. Ein großes, weiches Auge spricht laut der Schnitzer meist für einen guten Geist oder die Wachsamkeit der Figur. Auch Fruchtbarkeit, Sexualität, Hunger usw. sind häufig zentrales Element dieser Skulpturen.

 

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Das Suaheliwort Mawingu bedeutet Wolke. Den Zusammenhang erkennt man an diesen in meist massiveren, weichen, verschlungenen Formen gehaltenen Figuren sehr schön. Zwischen Shetani und Mawingu ist die Grenze meines Erachtens eine fließende. Die Mawingu-Skulptur ist lieblicher, selten aggressiv und wesentlich stärker abstrahiert als dies beim Shetani der Fall ist. Häufig sind bei einer Mawingu-Figur aber auch ein Gesicht und evtl. Gliedmaßen zu erkennen.Diese Figuren lassen dem Betrachter viel Freiraum für seine Phantasie. Mich erinnern sie etwas an Figuren von Henry Moore. Laut Max Mohl war Samaki Likankoa der Erfinder dieser Stilrichtung, die sich meines Erachtens nach hauptsächlich wegen ihrer gefälligen unaufdringlichen Art so erfolgreich durchgesetzt hat.

 

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 Die Ujamaa-Richtung, früher Dimingo genannt, entwickelte sich um 1960 und war maßgeblich durch die sozialistische Politik im Land beeinflusst. Ujamaa, was soviel wie Gemeinschaft und Familie bedeutet, kommt in diesen Schnitzereien immer sehr schön zur Geltung. Bei uns werden sie auch recht treffend als Lebensbaum oder Familienbaum bezeichnet. Dargestellt ist fast immer eine zentrale größere Figur (Stammesoberhaupt) um die viele kleinere Figuren (Familien- oder Stammesmitglieder) angeordnet sind. Diese sind häufig beim Verrichten landestypischer Arbeiten, z.B. Ackerbau, Hüten von Tieren oder beim Kochen gezeigt. Oftmals sind aber auch in den Lebensbäumen vereinzelte Geister zwischen den realistisch geschnitzten Menschen zu erkennen...
Besondere Schmuckstücke sind schön sauber und fragil aus einem großen, möglichst verzweigten Stamm gearbeiteten Ujamaa-Figuren – hier gibt es auch Exemplare, die mehrere Meter hoch sind!

 

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